#12

ANDRÉS GALEANO & FRIEDRICH HERZ

Cumulus

 

Apr 25 – May 5, 2023

Die beiden Arbeiten #TheWeightOfTheClouds und Sfumato #4 sind Teil des Großprojekts Fons perdut de núvols (Lost Clouds Archive) des katalanischen Künstlers Andrés Galeano. Für #TheWeightOfTheClouds hat Galeano drei wissenschaftliche Fotografien aus dem Archiv des Servei Meteorològic de Catalunya auf großformatige Leinwände gedruckt und als ausrollbare Hintergründe eines kommerziellen Fotostudios inszeniert. Sfumato #4 zeigt hingegen den tatsächlichen Hintergrund eines Studios aus dem späten 19. Jahrhundert. Dazu hat Galeano eine alte Portraitfotografie digital so nachbearbeitet, dass die darauf portraitierten Personen hinter der Malerei verschwinden.

In ihrem Zusammenspiel lassen sich die beiden Arbeiten als eine Auseinandersetzung mit der konfliktreichen Geschichte von Fotografie und Malerei deuten. Aufgrund der minutenlangen Belichtungszeit und der Kontrastschwäche des damaligen Trägermaterials gehörten Menschen und Wolken lange zu den am schwierigsten zu fotografierenden Motiven (auf frühen Fotografien sind die Straßen deshalb immer menschenleer und der Himmel immer wolkenlos). Die Malerei, die sich durch das neue Medium herausgefordert fühlte, sah darin einen Beweis für ihre natürliche Überlegenheit, gehörten Menschen und Wolken doch zu ihrem motivischen Kernrepertoire. Die frühen Fotografen fanden jedoch bald eine Lösung: Um die technischen Grenzen ihres Mediums zu umgehen, ließen sie Menschen minutenlang vor gemalten Wolkenbildern posieren. Damit hatten sie die Malerei wortwörtlich in den Hintergrund gedrängt und schlossen zugleich an deren Bildtradition an („Heilige vor Wolkenhimmel“). Wenn Galeano in #TheWeightOfTheClouds Fotografie als Malerei inszeniert und in Sfumato #4 Malerei so manipuliert, dass sie die Fotografie verschwinden lässt, beleuchtet er den alten Streit aus neuer Perspektive: Die Grenzen zwischen den Medien sind heute fließender geworden, als es sich die Kontrahenten von damals hätten erträumen können.

Auch die raumgreifende Negativmalerei The cloud and the pebble von Friedrich Herz lässt sich als Reflexion über die Geschichte und die Grenzen eines Mediums verstehen. Das linke Wolkenmotiv ist dem Hintergrund der Druckgrafik The Old Man (ca. 1526) von Hans Holbein entlehnt, das rechte der Grafik La Pendaison (1633) von Jacques Callot. In beiden Vorlagen wird der Tod des Menschen verhandelt, bei Holbein allegorisch, bei Callot realgeschichtlich anhand des Dreißigjährigen Krieges.

Die Erfindung der Druckgrafik geht auf das Bedürfnis zurück, Bilder schneller und günstiger zu (re‑)produzieren als die teure und auf Originalität verpflichtete Malerei. Der Preis dafür war – wie im Fall der frühen Fotografie – eine Beschränkung künstlerischer Möglichkeiten: Ein so konturloses Objekt wie eine Wolke galt in der Grafik als kaum darstellbar. Wenn Herz die Wolken von Holbein und Callot in großflächige Malerei überführt, deutet er die vermeintliche Schwäche jedoch in eine Stärke um. Erst in der Auseinandersetzung mit diesem technischen Problem finden die Künstler zu ihrer eigenen Handschrift, zu ihrer eigenen Sprache. Damit erweist sich die Arbeit auch als eine Auseinandersetzung mit Herz’ eigener künstlerischer Biografie: Aus der klassischen Malerei kommend hat er sich in den vergangenen Jahren vor allem mit der Druckgrafik und verwandten Medien beschäftigt. Mit The cloud and the pebble schlägt Herz also einen Bogen zurück zu seinen künstlerischen Wurzeln, tut das allerdings in einem Verfahren, das eher an den Druck als an die Malerei erinnert. Cumulus, die Bilderbuchwolke, wird bei ihm zum Sinnbild einer künstlerischen Praxis, deren Grenzen so unscharf geworden sind wie die Grenzen einer Wolke vor himmelblauem Grund.

text: Clemens Espenlaub

photos: Gernot Seeliger